13.10.2015
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UNERWÜNSCHT
Ein Zeitzeuge über die Deportationen ins Lager Gurs 1940
Vortrag von Dr. Kurt Salomon Maier
„Ich habe Glück gehabt. Ich bin ein ‚Hans im Glück’!“ fasst Kurt Salomon
Maier bei seinem Vortrag im Bürgersaal am 13.10. sein Leben zusammen.
Tatsächlich gelang es nur wenigen Juden, die 1940 aus Baden, der Pfalz und
dem Saarland ins Internierungslager Gurs in den Pyrenäen ausgewiesen
wurden, der Verfolgung und schließlich auch Vernichtung durch die
Nationalsozialisten zu entkommen.
Am 22. Oktober jährt sich die Deportation der südwestdeutschen Juden
nach Gurs das 75. Mal. Zum Gedenken daran konnte der Arbeitskreis
Stolpersteine Kurt Salomon Maier gewinnen, der sich als damals 10-Jähriger
„direkt von der Schulbank plötzlich im Lager“ wiederfand und von dort nach
einem halben Jahr mit Hilfe seiner bereits früher ausgewanderten
Verwandten in die Vereinigten Staaten fliehen konnte.
„Judenhass hat es immer gegeben,“ betont Kurt Maier mehrmals. Und dennoch habe die christliche und
jüdische Bevölkerung in seinem Heimatort Kippenheim (bei Lahr) friedlich zusammengelebt - bis zur
Machtergreifung Hitlers 1933. Auch wenn es
seine Eltern nicht wagten, vor den Kindern
über Politik zu sprechen, habe er mit der
Zeit immer mehr die Folgen der Nazi-
Propaganda gespürt. Anhand von
Illustrationen aus dem Kinderbuch „Der
Giftpilz“ zeigt Kurt Maier anschaulich, wie in
den Dreißigerjahren schon die jüngsten
„Arier“ an den staatlich verordneten
Antisemitismus herangeführt und Vorurteile
geschürt werden sollten.
Spätestens als in der Pogromnacht vom 9.
November 1938 Steine in die Wohnung der
Maiers flogen und die Kinder unter einer
umgedrehten Metallbadewanne in Sicherheit
gebracht wurden, war nicht nur Familie
Maier klar, dass es keine Alternative zur
Auswanderung gab.
Die Hürden für eine erfolgreiche Emigration waren jedoch hoch; Visa waren schwer zu bekommen. Und so
lebten Kurt Maier und seine Familie auch noch 1940 unter immer schwereren Repressalien in Kippenheim. Von
dort wurden sie am 22. Oktober – wie im Übrigen zeitgleich 16 jüdische Bürger aus Kuppenheim - nach einer
Vorwarnzeit von gerade mal zwei Stunden mit Lastwagen abgeholt und schließlich in einem der dafür
bereitgestellten Sonderzüge ins „Camp de Gurs“ in den Pyrenäen transportiert. Mehr als 6.500 Menschen
wurden an diesem Tag nach Südfrankreich deportiert.
Das Foto zeigt die Deportation der
Familie Maier aus Kippenheim am
22. Oktober 1940. Kurt Maier ist
der Junge mit der Schultasche am
Tor zum Hofeingang. Das Foto
wurde erst 2002 im Nachlass eines
Journalisten entdeckt.
Auch wenn Gurs „nur“ ein Internierungslager und mit den späteren Vernichtungslagern im Osten nicht zu
vergleichen war, prägen die dortigen Erlebnisse Kurt Maiers Leben bis heute. Viele Menschen, gerade ältere und
kranke, überlebten die desaströsen hygienischen Verhältnisse, die Enge, Kälte und ständige Feuchtigkeit im
Lager nicht: „Jeden Tag wurden Tote hinausgetragen.“ Er selbst überstand mit viel Glück eine Diphtherie-
Infektion.
Nur mit Geld und Hilfe der amerikanischen Verwandten und nach einem „Stempelkrieg“ mit den französischen
Behörden gelang es der Familie, nach einer weiteren Internierung in Casablanca 1941 in die USA auszureisen.
Die meisten anderen Häftlinge wurden später von Gurs ins Vernichtungslager Auschwitz verlegt und
umgebracht.
So ernst das Thema des Vortrags auch war – Kurt Maier verstand es, mit Familienfotos, Anekdoten und nicht
zuletzt mit bemerkenswertem Humor seine Zuhörer mitzunehmen auf eine historische Reise, wie sie nicht in
Geschichtsbüchern steht. Nicht nur die jugendlichen Besucher des Vortrags, die sich erstaunlich rege an der
anschließenden Fragezeit beteiligten, zeigten sich beeindruckt davon, einen Zeitzeugen aus „Fleisch und Blut“
zu erleben. Darüber hinaus überraschte die Energie des immerhin schon 85-Jährigen, der an der ein oder
anderen Stelle für ein paar Minuten „ausgebremst“ werden musste, damit auch Katrin Düringer die Möglichkeit
hatte, den Vortrag am Klavier mit Stücken von Chopin und Bach zu begleiten.
Kurt Maier lebt in den USA und arbeitet noch immer regelmäßig als Vortragsreisender und als Bibliothekar der
Kongressbibliothek in Washington. Sein 2011 erschienenes Buch „Unerwünscht: Kindheits- und
Jugenderinnerungen eines jüdischen Kippenheimers“ war nur wenige Minuten nach dem Vortrag ausverkauft.
Wer leer ausging, kann sich das Buch auch gerne in der KÖB ausleihen.
Veranstaltet vom Arbeitskreis Stolpersteine Kuppenheim und der KÖB Kuppenheim
Kurt Maier trägt sich nach dem Vortrag ins
Goldene Buch der Stadt Kuppenheim
ein (li.: Bürgermeister Karsten Mußler, re.:
Heinz Wolf vom AK Stolpersteine).
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